Das Interview vom Botschafter Geng Wenbing mit der renommierten Neue Zürcher Zeitung
2020-02-17 21:35
Am 31. Januar veröffentlicht die renommierte Neue Zürcher Zeitung das Interview mit Botschafter Geng. Der vollständige Text ist wie folgt:
 
 
 
Botschafter Geng, gerade haben die Schweiz und China den 70. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen begangen. Was unterscheidet Chinas Verhältnis zur Schweiz vom Verhältnis zu anderen europäischen Ländern?
Die Schweiz war eines der ersten westlichen Länder, die diplomatische Beziehungen mit China aufgenommen haben. Und die Schweiz ist das erste Land auf dem europäischen Kontinent, das ein Freihandelsabkommen mit China geschlossen hat. Sie hat in den verschiedenen Entwicklungsphasen Chinas immer eine Art Vorreiterrolle gespielt.
 
Woran liegt das?
Die Beziehungen sind frei von ideologischem Ballast. Ich habe einmal in den Archiven unseres Aussenministeriums nachgeschaut. Es gibt so gut wie keine Dokumente über politische Konflikte oder Dispute zwischen der Schweiz und China und nur fünf Zeitungsartikel, in denen China die Schweiz kritisiert. Und die stammen aus der Zeit der Kulturrevolution, als China den gesamten Westen kritisiert hat.
 
China ist gross, die Schweiz klein. Was macht das Land für Sie interessant?
Wir haben von der Schweiz sehr viel gelernt: den Fleiss, den Unternehmergeist und den Innovations-Spirit. Die Schweiz verfügt ausserdem über Erfahrungen mit einem fortschrittlichen Management. Da können wir viel lernen für unsere Reformen.
 
Die Schweiz hat seit vergangenem Jahr ein Abkommen mit Peking zur Belt-and-Road-Initiative. Die Unternehmen hierzulande haben bisher aber kaum davon profitiert.
Das stimmt nicht! Schweizer Firmen sind tief involviert bei der Belt-and-Road-Initiative, beispielsweise ABB, Schindler und Nestlé. Die Bank Vontobel hat ausserdem zusammen mit der China Construction Bank einen Fonds für Belt-and-Road-Projekte aufgelegt. Ich habe mich inzwischen bei den Schweizer CEO beschwert. Diese konzentrieren sich nämlich nur auf ihre Projekte, reden in der Schweiz aber nicht darüber. Das ist auch ein wichtiger Grund dafür, dass die schweizerischen Medien und das Publikum eher wenig über die sino-schweizerische Zusammenarbeit wissen.
 
Die Schweizer Wirtschaft wird von KMU dominiert. Die brauchen Zugang zu Ausschreibungen. Wie bekommen sie die?
Offen gestanden sind die Chancen für Schweizer KMU, bei der Belt-and-Road-Initiative zum Zuge zu kommen, eher begrenzt. Es geht um grosse Infrastrukturprojekte mit grossen Investitionen. KMU aus der Schweiz haben aber Chancen im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Drittländern. Darauf stellt ja auch das Abkommen zwischen der Schweiz und China zu «Belt and Road» ab.
 
Wie nehmen Sie die Diskussion um eine «Lex China» wahr, die die Schweiz von chinesischen Investitionen abschirmen soll?
In den Jahren 2016 und 2017 haben chinesische Firmen sehr viel in der Schweiz investiert. 2018 war es schon weniger. Unter dem Strich stammen nur 2% aller ausländischen Investitionen hierzulande aus China. Unsere Firmen investieren viel mehr in Deutschland oder Grossbritannien.
 
Nochmals: Was meinen Sie zur «Lex China»?
Das ist ein Thema der Schweizer Innenpolitik, dazu sage ich nichts. Nur so viel: Das geplante Gesetz bezieht sich ja nicht nur auf Investoren aus China. Ausserdem investieren Schweizer Firmen mehr in China als umgekehrt.
 
Die europäische Politik ist besonders skeptisch bei Übernahmen durch chinesische Staatsunternehmen.
Erst die Zeit wird zeigen, ob solche Investitionen eher eine Bedrohung oder eine Chance sind. Nur 5,6% aller chinesischen Investitionen im Ausland sind Investitionen von Staatsunternehmen.
 
Einige Investitionen chinesischer Unternehmen im Ausland waren Fehlschläge. Was sind die Ursachen? Haben die Firmen nicht richtig hingeschaut?
Eine hundertprozentige Erfolgsgarantie gibt es natürlich nie; über den Erfolg entscheidet der Markt. Vor allem die chinesischen Privatfirmen sind auf dem internationalen Parkett noch Anfänger. Sie schwimmen in einem noch unbekannten See, und da kann man auch untergehen. Sie müssen noch das Schwimmen lernen.
 
Wie sind die Verbindungen des Huawei-Konzerns zum Staat?
Huawei ist ein sehr bedeutendes chinesisches Privatunternehmen, und die chinesische Regierung legt grossen Wert auf die Firma. Im Westen wie in China helfen Regierungen den Privatfirmen. Darum nehmen Politiker bei Staatsbesuchen im Ausland ja auch Wirtschaftsdelegationen mit. Die Regierung signalisiert damit Unterstützung.
 
Viele Länder haben Sicherheitsbedenken beim Einsatz von Huawei-Technologie.
Mit dem Wissen um die Verantwortung sage ich Ihnen, dass es keine Sicherheitsprobleme bei Huawei-Equipment gibt. Diese angeblichen Sicherheitsprobleme sind von den USA vorgeschoben, weil sie um ihre technologische Vormachtstellung fürchten. Sie haben keine Anbieter von 5G-Technololgie. In Europa wird die Diskussion um Huawei viel sachlicher und objektiver geführt. Und zum Thema Spionage in der Schweiz: Die brauchen wir nicht, hier steht in den Zeitungen, welches Kampfflugzeug das Land anschafft.
 
Die Schweiz würde das 2014 geschlossene Freihandelsabkommen gerne noch ausweiten, etwa im Bereich Finanzdienstleistungen. Wie sehen Sie die Chancen?
Die Universität St. Gallen hat 100 chinesische und 100 schweizerische Unternehmen zu den Erfahrungen mit dem Freihandelsabkommen befragt. Alle haben ein positives Feedback gegeben. Darum unterstützen wir eine Ausweitung. Wir brauchen eine weitere Öffnung bei Dienstleistungen und im Finanzsektor, sozusagen ein Freihandelsabkommen 2.0. Zwei Runden Vorverhandlungen hat es ja schon gegeben. Ich bin optimistisch, dass es klappt.
 
Es gibt schon Firmen, die den Eindruck gewonnen haben, dass China heute lieber alles selber machen möchte.
Das ist aber nicht so! Wenn diese Firmen jedoch ihre Anteile auf dem chinesischen Markt halten möchten, müssen sie auch weiterhin investieren. Nehmen wir Nestlé. Der Konzern verkauft in China 1000 verschiedene Produkte mit hoher Qualität. Mit dem steigenden Lebensstandard brauchen die Chinesen diese Produkte. In den siebziger und achtziger Jahren waren die Chemieunternehmen der Schweiz in China sehr erfolgreich. Sie müssen sich jetzt aber auch den strengeren Umweltauflagen Chinas anpassen.
 
Sprechen wir über Xinjiang. Dort werden mehr als eine Million Uiguren in Lagern festgehalten . . .
Das ist nicht wahr.

Wie lautet die richtige Zahl?
In Xinjiang gibt es keine sogenannten Internierungslager, in denen Uiguren inhaftiert sind. Sie sprechen wohl von den Berufsausbildungszentren, die seit über einem Jahr immer wieder von den westlichen Medien in einem dramatisierten Ton aufgegriffen werden. Wir müssen Jugendlichen in Xinjiang helfen, einen guten Job zu finden. So können wir sie vom Terrorismus fernhalten. Sehr viele junge Menschen nehmen an beruflichen Ausbildungen teil. Sie lernen praktische Fähigkeiten, etwa Kochen oder Haareschneiden. Am Anfang haben die Jugendlichen die Ausbildung noch nicht ganz verstanden. Darum hat die Lokalregierung auch einige Motivierungsarbeit geleistet. Sogenannte Umerziehungslager gibt es aber keine.
 
Wir haben diese Ausbildungsstätten besucht. Aber es gibt noch andere Lager, wo auch Foltermethoden eingesetzt werden sollen. Sie behaupten, dass es das alles nicht gebe.
Woher kommt diese Zahl von einer Million? Von einer amerikanischen Menschenrechtsorganisation. Diese hat das behauptet, und die Medien haben es übernommen. Wenn sie 10 Millionen gesagt hätten, hätten die Medien getitelt: «10 Millionen Uiguren in Lagern.»
 
Aber die chinesische Regierung kennt die richtige Zahl.
Wenn es in Xinjiang einen einzigen Arbeitslosen gibt, so ist die Regierung verpflichtet, ihn zu einer Ausbildung zu motivieren. Und Folter ist illegal, egal wo in China. Gegenüber Terroristen müssen wir allerdings hart durchgreifen. So wie dies westliche Länder auch tun. Wissen Sie, wie viele Jugendliche aus Xinjiang in den Nahen Osten in den Jihad gereist sind? Und wie viele zurückgekehrt sind? Es gibt rund 90 Schweizer Bürger, die in den Jihad gezogen sind. 16 von ihnen sind in die Schweiz zurückgekehrt. Die Zahl ist in Xinjiang viel höher.
 
Wie viele Rückkehrer aus dem Jihad gibt es?
Es gibt eine Zahl, aber die darf ich nicht sagen. Doch diese Rückkehrer sind wirklich eine grosse Bedrohung für die Sicherheit in Xinjiang. Und wir müssen die Sicherheit in Xinjiang garantieren. Schweizer Medien haben ein Interview mit einer Exil-Uigurin gemacht, die von «Republik Ostturkestan» sprach. Das ist Separatismus. Es gibt kein Ostturkestan, Xinjiang ist von alters her ein Teil Chinas. Gegen solchen Separatismus müssen wir hart vorgehen. Separatisten werden in jedem Land bestraft – Spanien hat die katalanischen Separatisten auch vor Gericht gebracht.
 
Trotzdem, die internationale Kritik am Vorgehen Chinas in Xinjiang ebbt nicht ab.
Wenn es in einem Medium im Westen ein Gerücht gibt, dann schreiben alle Zeitungen über das gleiche Gerücht. Egal wie China die Lager erklärt, die Menschen im Westen werden es nicht glauben. Aber auch wenn eine Lüge tausend Mal wiederholt wird, bleibt es eine Lüge. Das Komische dabei ist, dass es meist westliche Länder sind, die China wegen Xinjiang kritisieren. Aber kaum muslimische Staaten. Die sind sogar der Meinung, dass die chinesische Regierung es ganz gut macht in Xinjiang. Finden Sie das nicht komisch?
 
Immer wieder berichten Uiguren im Ausland davon, dass ihre Verwandten in Xinjiang verschwunden seien. Was sagen Sie dazu?
Jeder Exil-Uigure, der behauptet, dass er keinen Kontakt mehr zu seinen Verwandten habe, soll zu mir kommen. Sagen Sie mir den Namen des Verwandten! Ich kann Hilfe anbieten. Aber wenn der Verwandte am Jihad teilgenommen hat, dann kann ich nichts tun. Diejenigen, die solche Sachen behaupten, werden dafür bezahlt. Einige Exil-Uiguren behaupten sogar, dass ihre Verwanden gestorben seien. Aber in Tatsache führen diese ein sehr gutes Leben.
 
Von wem werden die Exil-Uiguren bezahlt?
Von den USA. Es gibt eine amerikanische Stiftung, sie heisst «National Endowment for Democracy». Die bezahlt solche Dissidenten, die die chinesische Regierung kritisieren. Auch den Dalai Lama. Wenn jemand zu den Amerikanern geht und sagt: «Ich werde von der chinesischen Regierung unterdrückt», so bekommt er Geld von den USA.
 
Ist es wirklich so einfach?
Ich sage es offen und direkt: Die Taiwan-Frage, die Tibet-Frage, die Probleme mit dem Dalai Lama und neu auch die Fragen von Xinjiang und Hongkong – hinter all diesen Problemen stecken die USA. Ohne die Einmischung der USA wären diese Probleme schon lange gelöst. Die meisten Menschen in Xinjiang haben einen Wunsch: ein glückliches und friedliches Leben zu führen. Das Problem ist schon fast gelöst, denn die Situation in Xinjiang ist jetzt ruhig. Die Voraussetzung für die weitere Entwicklung der Region ist Stabilität.
 
Besteht nicht die Gefahr, dass durch das harte Vorgehen noch mehr Abneigung gegen den Zentralstaat und die Partei entsteht?
China ist ein grosses Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern. Dieses Jahr werden wir das Ziel erreicht haben, dass niemand mehr in absoluter Armut lebt. Alle haben eine Wohnung, genügend zu essen, können zur Schule gehen und haben Zugang zu medizinischer Versorgung. Das ist keine leichte Aufgabe. Ist es dabei nicht normal, dass unter den 1,4 Milliarden Menschen einige unzufrieden sind? Unser Ziel ist, dass alle Menschen in China ein glückliches Leben führen. Um solche Errungenschaften zu erzielen, müssen wir die Harmonie und Stabilität der Gesellschaft gewährleisten. Ein Land mit 1,4 Milliarden Menschen zu verwalten, ist natürlich anders, als ein Land mit 8 Millionen Menschen zu verwalten. Kein Land ist perfekt. Die Schweiz ist nicht perfekt. Auch China ist nicht perfekt. Aber man muss Zuversicht haben, dass China auf dem richtigen Weg ist. Und man muss Geduld haben mit China.
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