Ansprache S.E. Botschafter Geng Wenbing auf der Abschlussfeier der Asia Days an der Universität St. Gallen
2019-03-25 18:41

Am 13. 03.2019 nahm Herr Botschafter Geng Wenbing auf Einladung an der Abschlussfeier der Asia Days der Universität St. Gallen teil und hielt dabei eine öffentliche Ansprache. Im Anschluss beantwortete Herr Botschafter Geng die vom Publikum gestellten Fragen über Perspektiven, Chancen sowie Herausforderungen der Belt & Road-Initiative, den Handelsstreit zwischen China und den USA, die Anklage Huawei gegen die US-amerikanischen Behörden sowie Globalisierung der Human Ressources etc.. Im Folgenden findet sich der Text seiner Rede:

Sehr geehrte Gäste, Lehrende, Studierende und Freundinnen und Freunde,

hiermit begrüsse ich Sie alle ganz herzlich. Es freut mich sehr, der Einladung zum heutigen Anlass Folge  leisten und an der Abschlussfeier der Asia Days  der Universität St. Gallen teilnehmen zu dürfen. Zur erfolgreichen Durchführung der Vierten  Asia Days gratuliere ich Ihnen ganz herzlich, und bedanke mich sehr für die Einladung, dazu eine Abschlussrede zu halten. Die Veranstalter haben   mir mitgeteilt, dass während der Asia Days mehrere  Workshops stattgefunden haben, in denen  chinarelevante Themen eine grosse Rolle gespielt haben. Mir wurde auch gesagt, dass sich das heutige Publikum besonders für den aktuellen Stand der Seidenstrasseninitiative und die Handelskonflikte zwischen China und den USA interessieren., Daher möchte ich mich in meiner Rede auf diese beiden Themen konzentrieren.

Bevor ich Sie über den aktuellen Stand der Seidenstrasseninitiative informiere, möchte ich Ihnen gerne die Entstehungsgeschichte der antiken Seidenstrasse kurz erläutern. Die antike Seidenstrasse entstand während der Westlichen Han-Dynastie Chinas (von 202 vor Christus bis 8 nach Christus). Die Spezialgesandten vom Kaiser Wŭ reisten von der heutigen Stadt Xi'an, damals Chang'an genannt und Hauptstadt der Westlichen Han-Dynastie, über Gansu und Xinjiang bis nach Zentral- und Westasien. Das Ziel bestand einerseits darin,  Länder auf der Route als Verbündete gegen  Angriffe der Hunnen zu gewinnen. Andererseits ging es darum, den Warenhandel auszubauen, vor allem den Export chinesischer Seide. In seinem Werk „China. Ergebnisse eigener Reisen und darauf gegründeter Studien" gab der deutsche Geograf Ferdinand von Richthofen im 19. Jahrhundert als Erster den Verkehrswegen zwischen China und den westlichen Regionen den Namen „Seidenstrasse". Sie führte von China nach Zentralasien sowie Indien, und diente vor allem dem Seidenhandel. Der Begriff „Seidenstrasse" wurde im Laufe der Zeit allgemein anerkannt und angewendet. Die sogenannte „Maritime Seidenstrasse"ihrerseits beschreibt die Seerouten für den Handel und den Kulturaustausch zwischen dem alten China und dem Ausland. Sie entstand während der Qin- und der Han-Dynastien(ab dem 3. Jahrhundert vor Christus) und erreichte ihren Höhenpunkt während der Tang- und  Song-Dynastie( 7. –  13. Jahrhundert). Sie ist gleichzeitig die älteste uns bekannte Überseeroute, etwatausend Jahre vor der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus.


Vor über 2000 Jahren überquerten die Vorfahren der Chinesen trotz aller Schwierigkeiten die Steppen und Wüsten und erschlossen damit die Landroute der Seidenstrasse, die Asien und Europa verbindet. Sie überwanden grosse Wellen und Stürme und schufen die Maritime Seidenstrasse zwischen Ost und West. 2000 Jahre später lanciert China erneut eine Seidenstrasseninitiative (One Belt, One Road), ganz im Geist der antiken Seidenstrasse, nämlich Frieden und Zusammenarbeit, Offenheit und Inklusivität, gegenseitiges Lernen, gegenseitiges Nutzen und gemeinsamen Gewinn,. Der „Belt" verbindet China mit Zentralasien, Südasien und Europa. Die „Road" verbindet China mit Südostasien, der Golfregion, Ostafrika, Nordafrika und Europa. Seit ihrer Lancierung im Jahr 2013 sind inzwischen sechs Jahre vergangen. Mit dem, was wir in dieser Zeit geleistet haben, konnten wir die Vitalität und die enorme Wirkkraft der Seidenstrasseninitiative unter Beweis stellen. War die internationale Gemeinschaft anfänglich noch überrascht und misstrauisch, so zeigt sie jetzt Verständnis, leistet Unterstützung und beteiligt sich aktiv daran. Die Seidenstrasseninitiative gilt bereits als das grösste internationale öffentliche Gut, das China der Welt bietet und von allen Seiten begrüsst ist. Sie schafft eine wichtige Plattform für internationale Zusammenarbeit. Gerne zähle ich hier einige Beispiele auf, welche der Staatsrat und Aussenminister Wang Yi auf einer Pressekonferenz am 8. März dargelegt hat: Dank der Zusammenarbeit im Rahmen der Seidenstrasseninitiative erhielt Ostafrika seine erste Autobahn, die Malediven ihre erste Meeresbrücke, Weissrussland erstmals seine eigene Automobilindustrie, und Kasachstan seinen ersten Meereszugang. In Südostasien wird eine Hochgeschwindigkeitseisenbahn gebaut, und die Güterzugverbindungen zwischen China und Europa stellen nun die längsten Verbindungen im Hinblick auf die eurasische Zusammenarbeit dar. In Kenya wurde die als „Jahrhundertprojekt" bezeichnete Eisenbahnlinie Mombasa-Nairobi eröffnet. Diese Eisenbahnlinie hat für die einheimische Bevölkerung etwa 50 000 Arbeitsstellen geschaffen und zum Wirtschaftswachstum von rund 1,5% beigetragen. In Uzbekistan haben chinesische Bauarbeiter in Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung  innerhalb von 900 Tagen einen 19 km langen Tunnel gebaut, wodurch die Bewohner in entlegenen Regionen innerhalb von nur 900 Sekunden im Zug von einer Seite der hohen Bergketten zur anderen gelangen können. Es gibt noch zahlreiche Beispiele, die ich hier auf zeitlichen Gründen nicht eins nach dem anderen nennen werde.
Dass die Seidenstrasseninitiative von zahlreichen Ländern angenommen worden ist und international grosse Anerkennung erlangt hat, ist vor allem auf folgende Gründe zurückzuführen:

Erstens entspricht die Seidenstrasseninitiative dem Leitthema und der Hauptströmung des Zeitgeistes. „Entwicklung hat die höchste Priorität." Dies gilt sowohl für China als auch für andere Länder. Die Seidenstrasseninitiative ist im Grunde genommen eine Initiative derzur Wirtschaftskooperation. Darüber hinaus stellt sie eine riesige Plattform für internationale Zusammenarbeit dar. Das zentrale Konzept dieser Initiative besteht darin, mittels Infrastruktur und Interkonnektivität in allen Bereichen die Wirtschaftszusammenarbeit entlang der Routen zu stärken und die gemeinsame Entwicklung zu fördern. Gerade ungenügende Infrastruktur und Interkonnektivität stellen für die Länder entlang der Routen generell eine Herausforderung dar. Die Initiative entspricht den Entwicklungsbedürfnissen dieser Länder und wird daher von diesen Ländern weitestgehend begrüsst.

Zweitens zeichnet sich die Seidenstrasseninitiative durch gegenseitigen Nutzen und gemeinsamen Gewinn aus. Als eine neue Plattform für internationale Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigt die Initiative einerseits die Entwicklung Chinas und seine Bedürfnisse nach mehr Reform und Öffnung, andererseits ermöglicht sie auch die Entwicklung der vernetzten Weltwirtschaft und bietet anderen Ländern gute Gelegenheiten,die Wachstumschancen mit China zu teilen. Die Initiative zeichnet sich durch Inklusivität und Flexibilität aus. Die teilnehmenden Länder können darin Projekte finden, welche ihren eigenen Bedürfnissen entsprechen und zu einer „Win-Win"-Situation mit China und sogar mit Drittstaaten führen können. Während der Durchführung der Seidenstrasseninitiative besteht China konsequent auf dem Prinzip der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Nutzens. China berücksichtigt die Interessen und Besorgnisse aller Beteiligten, legt grossen Wert auf die Verknüpfung der eigenen Entwicklungsstrategien mit denen anderer Länder, sucht nach dem grössten gemeinsamen Nenner der Zusammenarbeit und ist bestrebt, dass alle Partner ihr Potential möglichst nutzbringend entfalten können.

Drittens ist die Seidenstrasseninitiative ein transparentes Projekt. Sie verfügt über ihre eigenen „goldenen Regeln": Gemeinsame Beratung, gemeinsamer Aufbau und gemeinsamer Nutzen. Alle Partner begegnen sich auf Augenhöhe, die Zusammenarbeit wird offen gelegt und die Erfolge werden unter allen Beteiligten geteilt. China hat weder eine geheime Agenda im Sinne von geopolitischen Machtspielen, noch benutzt China die Initiative als ein geopolitisches Instrument, noch wird China einen abgeschlossenen Kreis schaffen,welcher dritte Parteien ausschliessen würde. Ferner wird China keine undurchsichtigen oder manipulativen Handlungen vornehmen und hat auch nicht vor,irgendeinem Land etwas aufzuzwingen. China hat noch nie einem anderen Staat sogenannt inakzeptable Bedingungen aufgezwungen. Hingegen besteht China auf Offenheit, Transparenz und Beratungen unter gleich gestellten Partnern. Sämtliche Projekte im Rahmen der Seidenstrasseninitiative entsprechen internationalen Gepflogenheiten sowie den Grundprinzipien der internationalen Beziehungen. Sie verfolgen indes allgemein angewandter kommerzieller Logik und Modi Operandi.

Die Schweiz hat der Seidenstrasseninitiative von Anfang an grosse Bedeutung beigemessen. Sowohl Behörden als auch der Privatsektor zeigen merkliche Interessen. Die Schweiz zählt zu den ersten Ländern, welche sich zur Teilnahme an der „Asia Infrastructure Investment Bank" gemeldet haben. Ausserdem hat die Bundesverwaltung eine Koordinationsstelle für die Seidenstrasseninitiative  mit Ansprechpartnern für die Beantwortung themenrelevater Fragen eingerichtet. Vor zwei Jahren reiste Frau Doris Leuthard, die damalige Bundespräsidentin, auf Einladung nach Beijing und nahm am ersten Gipfeltreffen des „Belt and Road Forums for International Cooperation" teil. Im April dieses Jahres wird China die zweite Runde dieses Gipfeltreffens in Beijing veranstalten, an dem Bundespräsident Ueli Maurer teilnehmen wird, um mit Staatsführern  anderer Länder gemeinsam das Voranschreiten der Seidenstrasseninitiative zu besprechen.

Seit der Lancierung der Seidenstrasseninitiative vor sechs Jahren haben China und weitere Länder entlang der Routen beachtliche Schritte im Aufbau der infrastrukturellen Basis für die Interkonnektivität vollbracht. In Zukunft werden wir weiterhin bestrebt sein, diese Initiative stetig und langfristig durchzuführen, damit die neuen Seidenstrassen zu Routen des Friedens, der Prosperität, der Offenheit, der Innovation und der Zivilisiertheit werden. Die Chinesen sagen oft: „Es ist viel schöner, die Freude zu teilen, als allein zu geniessen." Wenn wir die Seidenstrasseninitiative mit einem Kuchen vergleichen, so sind wir gerne bereit, mit allen Partnern gemeinsam einen grossen Kuchen zu backen und diesen immer grösser werdenden Kuchen auch mit allen zu teilen. Dies entspricht einem Zitat von Präsident Xi Jinping: „Die Seidenstrasseninitiative stammt zwar aus China, aber ihre Früchte gehören der ganzen Welt."

Liebe Lehrende, Studierende, Freundinnen und Freunde!
In diesem Jahr feiern wir das 70te Jubiläum der Gründung der Volksrepublik China. In den letzten 70 Jahren hat sich China für die Entwicklung eingesetzt, seine Systeme sind allmählich verbessert und vervollständigt. Dadurch hat China beachtliche Entwicklungserfolge in allen Bereichen verbuchen können und ist inzwischen die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt geworden. In diesen 70 Jahren ist China „aufgestanden" und hat Wohlstand erschaffen; nun arbeitet China daran, stark zu werden. Chinas Aufstieg verleiht auch der Weltwirtschaft Schwung. Seit dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise 2008 wirkt China als der Hauptmotor für die globale Wirtschaftserholung .Die Beiträge Chinas zur Welt lassen sich nicht nur in der Wirtschaft erkennen, sondern auch in seinem zunehmenden Bewusstsein,Verantwortungen und Pflichten in internationalen Anliegen zu tragen. Zur Zeit existieren noch internationale Handels- und Investitionsbarrieren, auch Unilateralismus, Protektionismus und Populismus kommen in gewissen Regionen und Ländern auf. Die multilaterale Weltordnung ist mit Herausforderungen konfrontiert. Hingegen besteht China darauf, sich der Aussenwelt umfassend zu öffnen und am Konzept der gemeinsamen Beratung, des gemeinsamen Aufbaus und des gemeinsamen Nutzens festzuhalten, um die internationale Zusammenarbeit u. a. im Rahmen der B & R-Initiative voranzutreiben. China wird darauf hinarbeiten, neue internationale Beziehungen auf der Basis des gegenseitigen Respekts, der Fairness, der Gleichheit, der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Gewinns zu etablieren. Mit diversen und komplexen Fragestellungen und Problemen der heutigen Welt konfrontiert, entscheidet sich China dafür, die ihm übertragenen Aufgaben selbstbewusst zu erledigen. Wir sind fester Überzeugung, dass Probleme im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung zielgerecht zu lösen sind. Probleme, die aus der ungleichen Entwicklung entstanden sind, lassen sich nur durch weitergehende Entwicklung lösen. Um bei der vorherigen Metapher zu bleiben, haben wir keine andere Wahl, als den Kuchen immer grösser zu backen, während dessen nach einer besseren Aufteilungsmethode des Kuchens zu suchen,. Wir sollten auf keinen Fall die Weiterentwicklung abbrechen und endlose Diskussionen über mögliche Aufteilungsmethoden des bestehenden Kuchens führen.

Was die Handelskonflikte zwischen China und den USA betrifft, so möchte ich Folgendes betonen: Sowohl aus der heutigen Sicht als auch langfristig gesehen bleiben die Grundlagen der Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und den USA unverändert.Das heisst, es besteht zwischen den beiden Ländern nach wie vor eine hohe Interessenkonvergenz. Im Grunde genommen geht es stets um gegenseitigen Nutzen und gemeinsamen Gewinn. Im Jahr 2017 betrug das Handelsvolumen zwischen China und den USA 14,2% des gesamten Aussenhandelsvolumens von China bzw. 16,43% des Aussenhandelsvolumens der USA. Dabei machte der Import aus China 21,84% aus, etwa über ein Fünftel des gesamten Importvolumens der USA . Im vergangenen Jahr reisten im Durchschnitt 14 000 Personen pro Tag von China in die USA und umgekehrt. Alle 17 Minuten startete oder landete ein Flugzeug in der jeweiligen Richtung. Trotz der grossen Differenzen und Konflikte im Handelsbereich erreichte das bilaterale Handelsvolumen 2018 630 Milliarden USD, fast gleich viel wie im Jahr 2017. Immer mehr US-amerikanische Unternehmen entschieden sich für die Beteiligung am ständig wachsenden chinesischen Markt. Im Januar dieses Jahres nahmen die Investitionen aus den USA in China gegenüber Vorjahr um 124,6% zu. Das ist die Realität der hohen Integration von China und den USA. Die bilaterale Zusammenarbeit auf der Basis des gegenseitigen Nutzens begünstigt einerseits die Entwicklung des jeweiligen eigenen Landes, andererseits trägt sie auch zur weltweiten Prosperität und wirtschaftlichen Stabilität bei. China unter starken Druck zu setzen, bedeutet auch, die gemeinsamen Entwicklungschancen aller Länder zu begrenzen.

Erfreulicherweise haben China und die USA bis jetzt – dank der Bemühung beider Partner – sieben hochrangige Gesprächsrunden über die Bühne gebracht. Beide Seiten haben ihren Konsens ständig erweitern und substanzielle Fortschritte zu einer Reihe konkreter Fragen erzielen  können. Dieses Resultat sendet der Welt ein positives Signal: China und die USA werden die Wirtschafts- und Handelskonflikte wohl meistern können. Dies stellt eine Grundlage dar, auf der beide Partner Vereinbarungen werden treffen können.

Liebe Lehrende, Studierende, Freundinnen und Freunde!
Es freut mich sehr, heute an der Universität St. Gallen zu sehen, dass sich die Studierenden für China interessieren und mehr über China erfahren wollen. Ich habe an dieser Stelle zwei Vorschläge für Sie: Erstens, wenn Sie Interessen für Geschichte haben, könnten Sie über die chinesische Geschichte lesen, um anhand der Geschichte die heutige Realität zu reflektieren. Um das heutige China zu verstehen, ist es bestimmt hilfreich, die chinesische Geschichte zu kennen. Zweitens würde ich es sehr begrüssen, wenn Sie China besuchen würden. Wir Chinesen sagen oft: „Was man hört, stimmt nicht unbedingt, aber was man sieht, ist glaubhaft." Um das richtige China zu kennen, ist es am besten, selber nach China zu reisen, mit eigenen Augen die Entwicklung Chinas zu sehen, das Alltagsleben der Chinesen mitzuerleben und sich ihre Meinung über die Welt anzuhören. Ich glaube, dass Sie dadurch IhreWahrnehmung über China auffrischen können.

Ich danke Ihnen ganz herzlich und beantworte nun gerne Ihre Fragen.

 

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